Vom Kampf gegen Windmühlen

Erst im September hatte der Wirtschaftsminister zum Windenergiegipfel geladen. Denn der Ausbau der Windenergie stockt und zwar in so bedenklichem Maße, dass bereits existierende Kapazitäten zur Produktion von Windrädern in großem Stil abgebaut werden. So berichtet Silke Hahne im Deutschlandfunk erst vor einigen Tagen davon, dass in den ersten 9 Monaten dieses Jahres 500 Megawatt Windkraftleistung ans Netz gegangen seien. Das seien gerade einmal 18% des Mittelwertes der letzten 5 Jahre. Das habe sich bereits seit fast zwei Jahren abgezeichnet. Nach Schätzungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung gingen schon 2017 25000 Jobs in der Branche verloren und der Rückgang hielt wahrscheinlich die folgenden Jahre in ähnlichem Maße an. Als Gründe für den Niedergang einer Industrie, deren Ausbau dringend nötig wäre, wenn man die Klimaziele erreichen wollte, werden von Politikern und in den Medien häufig überbordene Bürokratie bei der Beantragung, mangelnde Akzeptanz für den Zubau neuer Windräder bei der betroffenen Bevölkerung, Konflikte mit Naturschützern, daraus folgende langwierige Klagen sowie Flächenbegrenzungen und Abstandsregelungen in den zuständigen Bundesländern genannt. Damit sind aber nur Oberflächenphänomene bezeichnet. Wirklich aufschlussreich ist dahingegen ein Interview, das Ralf Krauter am 05.09.2019 in der Sendung „Forschung aktuell“ des Deutschlandfunks mit dem Professor für regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin Volker Quaschning geführt hat. Nach dessen Aussage müssten in der Bundesrepublik, damit das Ziel der Klimaneutralität bis 2035 erreicht werden kann, bis dahin jährlich Windkraftanlagen für 7000 Megawatt zugebaut werden, was insgesamt etwa 2% der Bodenfläche in Anspruch nehmen würde. Bis ins Jahr 2017 sei man auch auf gutem Wege gewesen, da sei man mit 5000 Megawatt Zubau dem Ziel schon recht nahe gekommen. Dann habe jedoch die Bundesregierung, allen Klimaschutzversprechungen zum Trotz, beschlossen, den Ausbau der Windenergie zu reduzieren. Sie habe Ausschreibungen eingeführt und dann nur eine Menge von 3000 Megawatt ausgeschrieben. Aber das reichte noch nicht. „Dann hat man die Regeln so gemacht, dass über Ausschreibungen nur noch große Akteure am Markt teilnehmen können. Das ist ein sehr großes Gezocke, was da derzeit stattfindet. Und kleine Akteure, Bürgergenossenschaften, wo sich Privatleute zusammentun, um einen Park zu finanzieren, die sind da jetzt komplett raus aus diesem Rennen. Das hat dann wieder eine Rückkopplung auf die Gesellschaft. Also früher hatte man doch sehr gut akzeptierte Windparks, weil sich dann die Leute vor Ort in Bürgerbeteiligungsgesellschaften dann einfach beteiligt haben und auch von den Windparks profitiert haben. Das findet jetzt in dem Maße nicht mehr statt“, so Quaschning weiter. Das habe natürlich die Akzeptanz vor Ort für neue Windkraftanlagen untergraben. Hinzu komme dann noch, dass die Länder die Abstandsregelungen so verändert hätten, dass z.B. in Bayern in diesem Jahr überhaupt kein neues Windrad mehr gebaut worden sei.

Wenn man das liest, fragt man sich natürlich, was die regierende Koalition da für ein falsches Spiel treibt. Bei allen Gelegenheiten beteuern ihre Vertreter, dass ihnen nichts so wichtig sei, wie den Klimawandel aufzuhalten, und sie selbst ist es, die den Ausbau erneuerbarer Energien mit Absicht abwürgt? Was sind die Gründe für die Gründe des Einbruchs bei der Windenergieproduktion?

Einen wichtigen gibt Quaschning direkt an. Weiter hohe oder gar noch gesteigerte Zubauraten bei Windkraftanlagen hätten in den nächsten 10 Jahren zu einem „von selbst kommenden Kohleausstieg“ geführt, so Quaschning – gemeint ist wohl einer, der durch die Konkurrenz auf dem Energiemarkt ganz von alleine sich eingestellt hätte. Das wäre wahrscheinlich der Koalition und – so darf man mutmaßen – vor allem der SPD in ihr zu schnell gewesen. Den entscheidenden Grund jedoch kann man mit ein wenig Phantasie und Kenntnis der ökonomischen Verhältnisse aus Quaschnings anderen Aussagen herauslesen. Die Anlagen zur Produktion von erneuerbaren Energien müssen lokalen Gegebenheiten stärker angepasst sein als mit fossilen Rohstoffen betriebene Kraftwerke, sie sind vergleichsweise klein und auch für Privatleute und Bürgergenossenschaften erschwinglich und ihr Bau wurde zumindest anfangs so gefördert, dass viele – mehr als erwartet – sich für ihre Anschaffung entschieden. Dementsprechend wurde, glaubt man Wikipedia, der Ausbau der erneuerbaren Energien in der Bundesrepublik vor allem von Privatleuten und Bürgergenossenschaften vorangetrieben, während die großen Energiekonzerne die Energiewende verschliefen. So entstanden zumindest Ansätze einer dezentralen Energieproduktion vor Ort in diesem Bereich mit einer gänzlich anderen Struktur als sie profitorientierte Unternehmen haben: „Typischerweise folgen Bürgerenergiegenossenschaften weltweit den sieben Grundsätzen, die 1995 von der International Co-operative Alliance verabschiedet wurden: Freiwillige und offene Mitgliedschaft, demokratische Mitgliederkontrolle, ökonomische Partizipation der Mitglieder, Autonomie und Unabhängigkeit, Ausbildung, Fortbildung und Information, Kooperation mit anderen Genossenschaften und Vorsorge für die Gemeinschaft“. So viel Selbständigkeit und solchem Wildwuchs musste Einhalt geboten werden, so etwas konnte sich ja zu einer echten Gefahr für unsere oligopolistische, kapitalistische Grundordnung auswachsen (Vgl. auch These_10 auf unserer Thesenseite). Mit den von Quaschning angeführten Ausschreibungsregelungen wird nun dafür Sorge getragen, dass die großen Energiekonzerne wieder die Kontrolle nicht nur übers Netz, sondern auch über die Energieproduktion zurückgewinnen. Das ist die Art von Energiewende, mit der sich die CDU/CSU gerade noch so anfreunden kann. Man kann also dem Youtuber Rezo nur beipflichten, diese Partei ist der entscheidende Bremsklotz in Bezug auf jede Art ökologischen Fortschritts. Aber auch er und seine Fans wie auch die Fridays-for-future-Bewegung sollten noch genauer auf die ökonomischen Gründe politischer Entscheidungen achten. Die CDU macht sich – wie aus anderen Gründen auch große Teile der SPD – zum politischen Arm der großen Energieproduzenten, weil sie zu Recht fürchtet, dass eine wirkungsvolle Energiewende mit einer kapitalistischen Produktionsweise nicht zu vereinbaren ist. Das ökologische Problem ist in Wahrheit ein soziales.

Das wird offensichtlich, wenn man näher betrachtet, was es mit dem vermeintlichen Mangel an Akzeptanz in der Bevölkerung für Windräder vor der eigenen Haustür tatsächlich auf sich hat. So stellt Rene Mono vom Bündnis Bürgerenergie in einem Gespräch mit Julius Stucke auf Deutschlandfunk Kultur am 05.09.2019 fest: „Denn dort, wo Bürgerenergie ausprobiert wurde, gab es eigentlich nie gravierende Akzeptanzprobleme“. Und er fügt an, dass fehlende Akzeptanz vor allem dort zu beklagen sei, „wo große Konzerne in die Dörfer eingefallen sind und sich Flächen gesichert haben, um dort Windparks aus dem Boden zu stampfen“. Mit anderen Worten, es geht nicht um bockige, bornierte Provinzler, fanatische Vogelschützer verbohrte Egoisten oder idiotische Leugner des Klimawandels, die nun den schönen Rechtsstaat ausnutzen, um mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln sich einem Ausbau der Windenergie entgegenzustellen. Solche Leute mag es geben und sie mögen die Situation auch ausnutzen. Aber sie können nur so leicht für ihre Interessen mobil machen, weil die, die bisher die Energiewende vorangetrieben haben, das untrügliche Gefühl beschleicht, dass sie nicht nur ihres Bodens, sondern was weit schlimmer ist, auch ihres eigenen technischen wie sozialen Fortschritts enteignet werden. Damit der greifen könnte, bedürfte es jedoch nicht nur einer dezentralen Produktion, sondern, wie Quaschning festhält, auch eines von allen akzeptierten allgemeinen Energiekonzepts, also ergänzend einer zentralen Koordination statt eines Sammelsuriums einander widersprechender Einzelmaßnahmen, die sich wechselseitig neutralisieren. Dazu ist jedoch weder eine der jeweiligen Parteiräson verpflichtete Regierung, noch eine untereinander konkurrierende Großindustrie willens noch in der Lage.

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